Vom Trotz, Autonomie und Power Spielen

Verfasst von Justine Holly am .

Kinder kommen um das zweite Lebensjahr in die Autonomie Phase (bekannt auch als ‚Trotzphase‘). Was nutzt diese Phase? Fragen sich viele so, wie ich es auch vor einiger Zeit tat. So geht die Natur sicher, dass unsere kleinen Homo Sapiens Unabhängigkeit anstreben und ihre Willensstärke erfahren, um die Welt um sie herum zu beeinflussen. Das ist der Grund warum sie alles selber machen wollen - und wieso wir sie lassen sollten. Wenn wir helfen, obwohl Hilfe nicht gewollt ist, arbeiten wir gegen das Streben des Kindes heranwachsen zu wollen und bringen die Pläne der Natur durcheinander. Durch das Einmischen pfuschen wir auch mit dem Selbstwertgefühl des Kindes herum - es ist nämlich nicht an uns zu beurteilen und zu benoten wie unsere Kinder ihr Essen zu sich nehmen, sie schaffen es reichlich Essen in den Mund zu manövrieren und das um einiges konzentrierter, wenn wir sie lassen. Den Löffel weg zu nehmen beweist sogar, dass du denkst sie können es nicht oder glaubst sie tun es nicht richtig und das hindert sie daran, die Art des Löffelns zu perfektionieren.

Auf dem Spielplatz beobachtete ich ein ca. zwei jähriges Kind, welches am Rucksack seiner Mutter zog, um die Öffnung zu finden. „Du hast Hunger. Warte…“ sagte die Mutter, und sah es als ihre Aufgabe den Rucksack zu öffnen und zu durchforsten bis der richtige Behälter gefunden war. Das Ganze war super stressig; die Mutter sagte ständig „Warte doch mal! Hör auf damit! Nun reicht’s! Ich hole ja schon!“ und stieß den Jungen von sich, da er permanent gequengelt, geweint und an ihren Arm gezogen hat.  Natürlich wollte er selbst die Tupper mit dem Essen suchen.

Also, in diesem Bestreben nach Autonomie können Kinder auch extrem frustriert werden, sofern sie am Tage nicht zu ihrer Zufriedenheit Entscheidungen für sich treffen konnten oder selbstständig Sachen machen durften. Dann fordern sie Selbstbestimmung in den ungelegensten Momenten - beim Zähneputzen, im Restaurant oder beim Einkaufen. Sie können deinen Rat oder deine Bitten nicht hören, weil das Bedürfnis nach Autonomie nicht gestillt wurde. Sie können dafür nichts - ihre Instinkte und Impulse leiten sie. Sie sind nicht ‚trotzig‘, um dich zu ärgern; sie werden gerade erst zu Menschen, die Entscheidungen treffen und mit ihren Mitmenschen kooperieren. Diese Instinkte sichern ihr Überleben; ohne wären sie Dauer-Schoßhocker und abhängige Soziopathen.

Power Spiele bieten eine Art Prävention gegen Wutanfällen und Trotzreaktionen. Es geht absolut nicht darum Kinder auszutricksen um sie folgsam zu machen, sondern die Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen, damit sie nicht bei diesem einen Bedürfnis nach Autonomie verweilen müssen. Dann können sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge richten, wie das Kooperieren oder einfach auf das Erleben und Lernen.

Kinder verwenden Power Spiele von Natur aus, um ihr Bedürfnis zu befriedigen - denke nur daran wie sie vor dir weglaufen und sich verstecken, wenn es darum geht die Schlafanzüge anzuziehen oder daran, als du „tu das nicht“ gesagt hast und sie es ohne zu überlegen taten. Sie wollen ihre Fähigkeit die Welt zu beeinflussen in einen sicheren Rahmen erfahren- sie wollen Power Spiele!

Power Spiele bieten auch eine wundervolle Möglichkeit Konflikte zu lösen. Anstatt ein Kind zu etwas zu zwingen oder zu maßregeln, können wir bei ihrem Spiel mitspielen und dabei super viel Spaß haben.

Das nächste Mal, wenn dein Kind eine volle Kiste Spielzeug auskippt, nachdem du ihn gebeten hast es nicht zu tun, gönne ihm sein Power Spiel: „Oh neeeiiiin! Du hast die Kiste auf dem Boden ausgekippt! Was mach ich jetzt nur?!“ Du kannst alles wieder einräumen, während du in übertriebenem, spielerischem Ton ähnliches erzählst. Dann sagst du „kippe es bloooß nicht wieder aus! Ich drehe mich um, und wenn ich gucke soll alles so sein wie vorher!“ Baue lustige Sketche mit ein; dein Kind wird sich kaputtlachen und seinen Einsatz ganz genau erkennen. Das Spiel sollte so oft wiederholt werden wie das Kind Lust dazu hat, damit es seine Autonomie auch ausreichend spürt.

Mein Sohn Marley (4) hat ‚The Sleeping Game‘ erfunden: Ich sage ihm er soll mich nicht wecken, tue so als würde ich schlafen, dann weckt er mich natürlich mit einem Piekser auf. Ich sage „Wer hat mich bloß aufgeweckt?! Ich sagte keiner soll mich wecken! Ich muss doch schlafen…!“  usw. Marley lacht sich schlapp.

Er liebt auch sein ‚Push Game‘, in dem ich versuche aufzustehen und er sich auf mich drauf legt: „Ich muss aufstehen! Ich muss doch hoch! Oh nein, ich kann meine Arme nicht bewegen! ...“

Solche Spiele provozieren Kinder nicht dazu dominant zu sein (das machen eher Lob und Strafe, in dem die Machtanwendung nicht spielerisch erfahren wird, sondern als Machtmissbrauch/Gewalt auftritt); sie erfüllen vielmehr ein starkes Bedürfnis und verringern Spannungen, die in der Eltern-Kind Beziehung auftreten können, wenn es (bewusst oder unbewusst) zur Unterdrückung des Eigenwillens kommt, den das Kind in dieser so oft missinterpretierten Phase ausbildet.

Der Wille des Kindes ist die Motivation, die es dazu treibt unabhängig zu werden. Es ist nicht an uns ihn zu unterdrücken, sondern ihn anzuerkennen, zu bestärken und zu unterstützen.

I invite you to take your liberty and join the revolution!

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