Auf Bedürfnisse statt Verhalten fokussieren

Verfasst von Justine Holly am .

 Marley (gerade 4 geworden) und ich sind zur Besuch zu meiner Schwester gefahren. Nach der zweistündigen Zugfahrt warteten wir am Bahnhof- sie war spät dran. Marley rannte wie ein Wahnsinniger umher, um seinen Frust auf Grund der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten abzubauen. Überhaupt war er auch gar nicht so begeistert davon seine Tante zu besuchen; er sagte sie sei immer so wütend.

Als sie dann ankam, wich Marley vor ihren ‚Hallos‘ und Umarmungsversuchen zurück. Bevor wir den letzten Zug bestiegen, der uns in 7 Minuten an unser Ziel bringen würde, gingen wir Eis essen.

Marley sprang im Eiscafé auf der Bank rum, hing an mir, zog an mir, schubste mich spielerisch und ignorierte weiterhin alle Annäherungsversuche seiner Tante. Sein Spielen war grob; ich ließ mich trotzdem darauf ein und spielte wie sonst auch- ich lachte, hielt ihn zurück, hielt ihn dann fest, piesackte ihn und gab ihn den physischen Halt, den er offenbar in dieser (für ihn) unsicheren Situation brauchte.

Dann hat er mich klatsch! aufs  Dekolleté gehauen!

‚Du Solltests‘ regneten auf mich herab-

Ich sollte ihn maßregeln, ihm sagen wie böse das doch war und ihn durch Stillsitzen bestrafen, ja sogar Liebesentzug durchs Wegsetzen ausüben. Ich sollte ihm beibringen so etwas nicht zu tun! Ich sollte ihm klar sagen „mach das nicht!“ (und übrigens- ihre zukünftigen Kinder werden dazu erzogen so etwas nicht zu tun.)

 

Meine Schwester war entsetzt als ich nur „Aua, das brennt!“ sagte, ihn auf meinen Schoß zog und in den Arm nahm.

Marley auszuschimpfen hätte ihm in der Situation überhaupt nicht geholfen. Er weiß, dass wir nicht hauen… denn wir hauen nicht. Er weiß ich möchte, dass er, wenn möglich, mit Worten statt Körperlichkeit kommuniziert. Er brauchte meine ungeteilte Aufmerksamkeit und sah keinen anderen Weg ihn zu bekommen (zu dem Zeitpunkt unterhielt ich mich mit meiner Schwester und spielte nur halbherzig mit Marley). Kinder nutzen die Fähigkeiten die sie haben und sind keineswegs für sie verantwortlich zu machen.

Dadurch, dass ich ihn im Arm hielt, fing ich ihn auf und erlöste ihn vom offensichtlichen Stress mit dem er sich abmühte; ich bot Sicherheit und Vertrautheit. Ich fokussierte mich auf sein Bedürfnis anstatt auf das daraus resultierende Verhalten.

Nach einem Moment auf meinem Schoß, fühlte Marley sich nun bereit für einen eigenen Kontakt-Versuch an seiner Tante. Er trat mit seinem Fuß sanft gegen ihren Oberschenkel. Leider schlug der Versuch fehl- es gab keine Kitzelei oder lustigen Balgereien zu berichten.

Die Reaktion meiner Schwester war, die Augenbrauen runter zu ziehen und in einer drohende Stimme „Tu das nicht! Tritt mich nicht!“ zu rufen.

Die ‚Solltests‘ wurden fortgesetzt.

„Aber tat es wirklich weh?“ Fragte ich sanft, und streichelte über die betroffene Stelle. Es war offenbar nicht das richtige in dem Moment, sie fand es wohl ziemlich kühn. Meine Schwester erwiderte „Sprich nicht mit mir, als wäre ich ein Kind!!!“

Meine Schwester erklärte, sie fühle sich angegriffen und wütend, da sie mit Gewalt behandelt wurde.

Ich sagte „Er ist doch gerade erst vier Jahre alt geworden. Er behandelt dich nicht mit Gewalt; er versucht sich dir anzunähern!“

Unsere Gesellschaft konditioniert seinen Nachwuchs darauf bestimmte Reaktionen auf gewisse Dinge zu haben- wenn ein Kind dich antippt (egal wie doll), musst du mit ihm schimpfen. Diese Reaktion ist kurzsichtig und unauthentisch. Sie hat kein Bezug zur eigentlichen Realität und nimmt das Individuum nicht in Betracht.

Sollte ein Erwachsener mich absichtlich auf die Brust hauen, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, weil er sich etwas unsicher fühlt, hätte ich bestimmt nicht mehr gelächelt. Erwachsene Personen haben sehr abweichende Voraussetzungen, die Fähigkeit mitfühlend zu sein und Emotionen in Schach zu halten; sind fähig dazu Situationen von beiden Blickwinkeln aus zu betrachten und Konsequenzen vorherzusehen.

Natürlich bringen wir unseren Kindern nicht bei gewaltvoll zu sein, wenn wir uns auf Bedürfnisse statt Verhalten fokussieren. Wir schaffen das Fundament, um Fähigkeiten und Methoden zu entwickeln mit den Situationen anders umzugehen und sie diplomatisch lösen zu können.

Darüber hinaus befreien wir die Kinder von der Last der Verantwortung, die sie tragen, wenn sie ein solches Verhalten ‚angewendet‘ haben und ohne die Unterstützung eines Erwachsenen mit den Konsequenzen zurechtkommen müssen.

Wir leben Frieden vor in dem wir friedvoll begleiten.

 

I invite you to take your liberty and join the revolution!

Tags: attachment parenting,, unerzogen,, alternative erziehung,

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